Sie leiten die Geschicke des Landesspitals Liechtenstein und führen in einer männerdominierten Branche. Würden Sie dies in ihrem Fall auch sagen?

Im Gesundheitswesen arbeiten viel mehr Frauen als Männer. Das Pflegepersonal in Spitälern besteht zu 85 Prozent aus Frauen, die Ärzteschaft wird zunehmend auch femininer – dies zeigen Zahlen der belegten Studienplätze in der Medizin. Aber: Über alle Schweizer Akutspitäler gesehen, liegt der Frauenanteil in der Führungsetage bei 28 Prozent. Noch ausgeprägter ist der Geschlechtergraben an der Spitze: Die Ämter Präsidium und Vizepräsidium sind gerade mal zu 15 Prozent mit Frauen besetzt.  Also ja, führen scheint immer noch eine Männerdomäne zu sein. Im Landesspital konnten wir seit einigen Monaten in der Spitalleitung Parität erreichen, im Stiftungsrat ist die Verteilung aktuell bei 40 Prozent mit zwei Frauen und drei Männern.

 

Führung ist gerade in einem Landesspital gefragt, wo sich die Rahmenbedingungen laufend ändern und auch viele Akteure in Entscheidungen einbezogen werden müssen. Wie lautet ihr Erfolgsrezept?

Ich setze auf verschiedene Faktoren. Intern ist mir in erster Linie eine von allen unterstützte, verstandene, respektierte und insbesondere gelebte Unternehmenskultur sehr wichtig. Hier unternehmen wir grosse Anstrengungen, die althergebrachten Hierarchieebenen zu durchbrechen. Dabei sind Augenhöhe, Zuhören, Vorleben und das Gespräch zur Lösungsfindung entscheidend. Vorausgesetzt werden dabei natürlich fachliche Kompetenz und Dossiersicherheit. Extern gelten grundsätzlich die gleichen Vorgaben. Einbeziehen und abholen der verschiedenen Interessen- und Anspruchsgruppen und dabei die Antennen ausfahren, sich aber auch nicht beirren lassen und die Linie halten – das sind aus meiner Sicht die wesentlichen Punkte. Die Spitalführung wird politischer – viele fühlen sich angesichts steigender Kosten genötigt, sich zu diesem komplexen und sehr vernetzten Thema zu äussern. Als Spitaldirektorin brauche ich dann auch eine gewisse Diplomatie und unter Umständen auch die nötige Abgeklärtheit – nicht alles muss kommentiert werden.

 

Was definiert schlechte Führung aus ihrer Sicht?

Ganz schlecht ist, wenn Entscheidungen nicht gefällt werden und somit gar keine Führung stattfindet, sprich die Mitarbeitenden allein gelassen werden. Niemand ist dann greifbar, nichts ist verbindlich und es gibt keine Orientierung. Gerne formuliere ich es positiv, da ich ein unverbesserlich positiver Mensch bin. Gute Führung heisst für mich, ein bewusstes und für die Mitarbeitenden sicht- und spürbares Eingehen auf Herausforderungen; diese können im Grossen wie im Kleinen sein. Das heisst, ich muss auch mal abtauchen können, um mit meinen Kolleginnen und Kollegen aktiv an einer Lösungsfindung zu arbeiten, damit sie mich spüren, aber dann auch wieder an die Oberfläche auftauchen, um strategisch Anstehendes anzupacken und das Gesamtunternehmen zu lenken. Diese Lenkung muss innen und aussen sichtbar sein.

 

Welche Erfolgstipps in Sachen Führung geben Sie gerne weiter?

Alle Mitarbeitenden müssen wissen, wohin sich das Unternehmen bewegen will, was die Ziele sind und mit welchen Mitteln man diese erreichen soll. Ebenfalls muss klar sein, welchen Beitrag die Mitarbeitenden zur Zielerreichung leisten können und sollen. Dass Planungselemente transparent sind, ist selbstverständlich. Gemeinsam sollen kleine und grosse Zielerreichungen gefeiert werden, und es sollen Einzelne mit herausragenden Leistungen in den Mittelpunkt gestellt werden – sie holen sich die Lorbeeren ab, nicht die Chefs. Unsere Werte sollen transparent und nachvollziehbar sein; ich lebe diese als Vorgesetzte und fordere dies auch von meinem Führungsteam. Das gibt Sicherheit, Orientierung und Verbindlichkeit. Meine Erfahrung ist, dass die Mitarbeitenden den/die Leader/in wünschen und suchen, dies aber situativ angepasst – mal mehr mal weniger. Besonders zeigt sich Leadership in Phasen der Krise. Ist dann Verlass auf die Frau oder den Mann, die oder der da vorne steht?  Weiter darf durchaus sichtbar sein, dass wir an der Spitze eines Unternehmens keine Übermenschen sind: Wir machen Fehler, zu diesen bitte auch stehen, und wir feiern überaus gerne Erfolge! Dafür benötigen wir das Team. Es muss wissen, dass es das Wichtigste für uns ist.